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AutorenbildPeter

Ein Leib - viele Glieder

Heute möchte ich mal nur eine Frage mit Euch teilen, die mich schon seit langem beschäftigt und von der ich – ehrlich gesagt – nicht einmal weiß, ob überhaupt irgend ein Mensch berechtigt ist, diese zu beantworten.


Inzwischen sind wir tatsächlich seit zwei Wochen in Braunschweig in unserem neuen Zuhause angekommen. Es sind längst noch nicht alle Kartons ausgepackt, alle Bilder und Lampen aufgehängt. Aber so langsam kehrt so etwas wie Alltag ein. Seit unserem Einzug bis heute (Sonntag) hatten wir ausnahmslos Sonnenschein, so dass es sich zunächst eher wie Urlaub in einer Ferienwohnung anfühlte. Jetzt setzt sich allerdings langsam ein Gefühl von „Angekommen“ durch.


Das hat mich auch dazu bewogen, einmal etwas in die „christliche“ Landschaft hier in Braunschweig einzutauchen, um ein eigenes Gefühl für unser Projekt „Gemeinde bauen“ und die zu erwartenden Rahmenbedingungen zu bekommen.


Gibt man bei Google als Suchbegriff „Christliche Gemeinden in Braunschweig“ ein, so erhält man ca. 117.000 Treffer. Alleine auf der Seite „Gott in Braunschweig“ gibt es in der Rubrik „Finde Deine Kirche“ 18 eingetragene Gemeinden der evangelischen Allianz. Selbst die offizielle Seite der Stadt Braunschweig listet 25 christliche Gemeinden auf. Da gibt es Angebote, wie:

  • „Gott in Braunschweig“

  • „Finde Christus“

  • „Christus im Zentrum“


Christen aller Arten und Denominationen gibt es hier, Katholiken, ev. Lutherische, alle erdenklichen Freikirchen, Jehovas Zeugen, Mormonen, Baptisten, Pfingstler, messianische Juden, … und demnächst halt auch uns!?


Diese unglaubliche Vielfalt, mit der ich zunächst nicht gerechnet hatte, führt mich zurück zu einer Frage, die mich schon so lange beschäftigt:


Wie definiert sich wohl der EINE Leib Christi?


Wie schon zu Anfang geschrieben, bin ich mir nicht mal sicher, ob diese Frage überhaupt ein Mensch beantworten darf, außer vielleicht für sich selbst.


Wie soll man in diesem Zusammenhang Paulus‘ Vergleich der Gemeinde mit einem Körper aus unterschiedlichsten Organen und Extremitäten verstehen? In Kurzform schreibt Paulus im Römerbrief:

"Denn wie wir in <einem> Leib viele Glieder haben, aber die Glieder nicht alle dieselbe Tätigkeit haben, so sind wir, die vielen, <ein> Leib in Christus, einzeln aber Glieder voneinander." (Römer 12,4-5)

Ausführlicher beschreibt Paulus diesen Leib in seinem Brief an die Gemeinde in Korinth. Das 12. Kapitel trägt in der Rev. Elberfelder Bibel die Überschrift „Die verschiedenen Geistesgaben und die Einheit des Leibes und seiner Glieder“:

"Denn wie der Leib <einer> ist und viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obwohl viele, <ein> Leib sind: so auch der Christus. Denn in <einem> Geist sind wir alle zu <einem> Leib getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle mit <einem> Geist getränkt worden. Denn auch der Leib ist nicht <ein> Glied, sondern viele. Wenn der Fuß spräche: Weil ich nicht Hand bin, gehöre ich nicht zum Leib: gehört er deswegen nicht zum Leib? Und wenn das Ohr spräche: Weil ich nicht Auge bin, gehöre ich nicht zum Leib: gehört es deswegen nicht zum Leib? Wenn der ganze Leib Auge wäre, wo wäre das Gehör? Wenn ganz Gehör, wo der Geruch? Nun aber hat Gott die Glieder bestimmt, jedes einzelne von ihnen am Leib, wie er wollte. Wenn aber alles <ein> Glied wäre, wo wäre der Leib? Nun aber sind zwar viele Glieder, aber <ein> Leib. Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich brauche dich nicht; oder wieder das Haupt zu den Füßen: Ich brauche euch nicht; sondern gerade die Glieder des Leibes, die schwächer zu sein scheinen, sind notwendig; und die uns die weniger ehrbaren am Leib zu sein scheinen, die umgeben wir mit größerer Ehre; und unsere nichtanständigen haben größere Wohlanständigkeit; unsere wohlanständigen aber brauchen es nicht. Aber Gott hat den Leib zusammengefügt und dabei dem Mangelhafteren größere Ehre gegeben, damit keine Spaltung im Leib sei, sondern die Glieder dieselbe Sorge füreinander hätten. Und wenn <ein> Glied leidet, so leiden alle Glieder mit; oder wenn <ein> Glied verherrlicht wird, so freuen sich alle Glieder mit. Ihr aber seid Christi Leib und, einzeln genommen, Glieder." (1.Korinther 12,12-27)

Insbesondere die Einheit des Leibes ist Paulus offenbar ein wichtiges Anliegen. Er schreibt dazu an die Epheser:

"Befleißigt euch, die Einheit des Geistes zu bewahren durch das Band des Friedens: <Ein> Leib und <ein> Geist, wie ihr auch berufen worden seid in <einer> Hoffnung eurer Berufung! <Ein> Herr, <ein> Glaube, <eine> Taufe, <ein> Gott und Vater aller, der über allen und durch alle und in allen ist." (Epheser 4,3-6)

Oder ganz ähnlich auch an die Korinther:

"Der Kelch des Segens, den wir segnen, ist er nicht Gemeinschaft mit dem Blute Christi? Das Brot, das wir brechen, ist es nicht Gemeinschaft mit dem Leibe Christi? Denn ein Brot ist es, so sind wir, die vielen, ein Leib; denn wir sind alle des einen Brotes teilhaftig." (1.Korinther 10,16-17)

Ich bin mir bewusst, dass wir gerade in der Gemeinschaft der Christadelphians diese Verse oft als eine Aufforderung zur Abgrenzung verstehen und so eher Exklusivität als Inklusion darstellen. Genauso weiß ich aber auch, dass es in unseren Gemeinden weltweit eine sehr große Vielfalt an unterschiedlichsten Ausprägungen und Auffassungen gibt, die alle nebeneinander existieren (auch wenn das nicht jedem gefällt).


Vielleicht ist das Bild, das Paulus skizziert, eher eine Beschreibung dessen, was ich bei der Sicht auf die Braunschweiger „Christenlandschaft“ entdecke. Eine geradezu unglaubliche Vielfalt. Und selbstverständlich nehmen alle diese Christen für sich in Anspruch, in Jesus Christus Erlösung gefunden zu haben. Wer will ihnen das absprechen?



Mein Gefühl (und im Augenblick ist es nicht mehr als das), dass uns eine Antwort auf die Frage, wer wohl zum Leib gehört, nicht zusteht, ergibt sich aus folgenden Aussagen, die sich im gleichen Kontext ebenfalls bei Paulus finden (meine Hervorhebungen):

"Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben wurde, jedem, der unter euch ist, nicht höher von sich zu denken, als zu denken sich gebührt, sondern darauf bedacht zu sein, dass er besonnen sei, wie Gott einem jeden das Maß des Glaubens zugeteilt hat." (Römer 12,3)
"Jedem einzelnen von uns aber ist die Gnade nach dem Maß der Gabe Christi gegeben worden." (Epheser 4,7)
"Nun aber hat Gott die Glieder, jedes einzelne von ihnen, so am Leibe gesetzt, wie er gewollt hat. […] Gott aber hat den Leib so zusammengefügt, dass er dem dürftigeren Glied umso größere Ehre gab, damit es keinen Zwiespalt im Leibe gebe, sondern die Glieder gleichmäßig füreinander sorgen." (1.Korinther 12,18 und 24,25)

Wenn es also Gott ist, der einem jeden das für ihn passende Maß des Glaubens zuteilt und er den Leib aus Gliedern zusammengesetzt hat, wie er wollte, steht es uns dann zu, Kriterien festzulegen, welche Inhalte zu glauben sind, um dazu zu gehören?


Wenn Paulus‘ Bild des Leibes aus unterschiedlichsten Gliedern der „inklusiven“ Sicht auf die Gesamtheit der Christen entspricht und nicht der „exklusiven“ Sicht auf unsere eigenen Gemeinden und deren Glieder, dann stellt sich mir die Frage, ob wir wohl hier in Braunschweig auch noch das siebenundneunzigste Angebot machen müssen?


Ich will aber nicht verschweigen, dass nach meiner bisherigen Recherche unsere Gemeinde auch in Braunschweig wohl die Einzige wäre, die die Dreieinigkeitslehre ablehnt und glaubt, dass das Reich Gottes tatsächlich hier auf der Erde errichtet wird.

Wenn es das ist, was hier in Braunschweig durch uns sichtbar werden soll, wäre es vielleicht tatsächlich ein anderes Angebot.


Sehr gerne wünsche ich mir eure Kommentare zur Sicht auf den EINEN Leib. Das würde mir sehr helfen, mein eigenes Verständnis zu finden.


Hallelujah! (Gelobt sei Jahweh, unser Gott)

Euer Peter


Foto von Claudio Schwarz auf unsplash

5 Kommentare

5 Comments


Guest
May 23

Die christliche "Landschaft" war bei den ersten Christen bestimmt ähnlich divers angelegt wie heute, nur dass sich die "Verschiedenheit" auf die Individuen damals bezog. Wer das Heilsangebot Jesu (die unverdiente Erlösung von den Sünden) ernsthaft angenommen hat, ist nach meinem Veständnis Teil dieses Leibes. Diese christliche Mitte (Jesus Christus) eint alle Christen, erst einmal unabhängig von sonstigen Erkenntnissen, die kulturelles Stückwerk sind, und die sich entwickeln, ausprägen und verändern können.

GLG Tomas

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Guest
May 24
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Hallo Peter!

Danke der Nachfrage!

Das weiß ich nicht.

Da Jesus den Fokus auf Umkehr und auf ein authentisches Leben legte (und nicht primär auf die Taufe - er selbst taufte nicht), gehe ich erst mal von der inneren Umkehr aus. Viele kamen zum Glauben, ohne dass von einer Taufe berichtet wird.

Die Ausdifferenzierung der christlichen Botschaft durch den Apostel (und ersten Theologen) Paulus erfordert dann den logischen Schritt der (Erwachsenen-)Taufe.

Man kann aber nicht von "heilsnotwendig" (ein inhaltlich schweres Wort) sprechen, falls die Taufe aus irgend einem Grund nicht vollzogen wird, da Gott allein darüber urteilt.

LG, Tomas

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Guest
May 20

Ich sehe es so:

jedes dem Leib hinzugefügte Glied ist so vollkommen wie der gesamte Leib vollkommen ist. Seit Jahrhunderten sprechen sich Christen gegenseitig ab, Teil des Leibes sein zu können, da nur sie - wie sie meinen - den einzig richtigen "Glauben" haben.

Wenn Jesus als der unumstrittene, vollkommene "Beginn" dieses Leibes gilt, dem alle anderen "Glieder" hinzugefügt werden, was sind dann die von ihm vorgegebenen Anforderungen - aus seinem Mund ! - die zu erfüllen sind, um diesem Leib anzugehören?


VLG Marco

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Peter
Peter
May 24
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Lieber Marco,

ich danke Dir ganz herzlich für Deinen Kommentar. Das hat mich motiviert, die Evangelien noch einmal genau mit dem Fokus auf die Frage zu lesen: was sagt Jesus selbst direkt zum Thema Errettung. Und das zunächst ohne Einbeziehung der Gleichnisse, die doch immer auch einer Interpretation bedürfen. Ich hoffe, dieser fokussierte unverstellte Blick allein auf Jesu Aussagen hilft, klarer zu sehen und das wirklich Wesentliche zu erkennen.


Liebe Grüße auch von mir!

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